Es ist eine Praxis
Wie oft denke ich darüber nach, was die Lösung sein könnte. Der richtige Job, ein tolles Projekt, ein Satz, eine neue Wohnung, ein Haarschnitt, eine Stadt, neue Theorien für eine gerechte Gesellschaft, eine Beziehung, ein Podcast. Das alles ist gut und wichtig und richtig.
Nur leider sind es keine Antworten auf meine Frage. Ich weiß nicht einmal was überhaupt die Frage ist. Dahinter steckt, dass ich ins Außen schaue. Immer ins Außen. Ich suche eine Bestätigung dafür, dass ich okay bin, an der richtigen Stelle, dass ich einen Wert habe.
Ich denke darüber nach, welches Projekt, welches Produkt oder Kunstwerk nach außen wie wirkt. Ich frage mich wie meine neue Hose aussieht bevor ich spüre wie sie sich anfühlt.
Ich lerne gerade wie es sich anfühlt von innen, von meiner Körpermitte nach außen zu tanzen.
Wohin führt mich mein Inneres?
Weg von den Spuren ungewollter Berührungen und Blicken, die mir Zugänge verwehrten, mich immer weniger haben werden lassen.
Schrumpfen in einem Alter des Wachsens und Austestens. Eine Verkehrung, eine Beschneidung, ein Verlernen von Lebendigkeit. Während mein Körper sich physisch ausdehnte, habe ich gelernt, ihn zu begrenzen, um ihn zu schützen. Das was einfach war bedeutete Gefahr. Ausgestellt und manchmal ausgeliefert sein
Ein doppelschneidiger Blick nach außen: Bestätige, dass ich okay bin, dazugehöre, aber schau mich nicht an. Ein Rezept für Einsamkeit in sich selbst. Der Blick nach außen ist immer zu gierig und wird niemals satt. Niemand kann eine Lösung finden, wenn sie das Problem verkennt, die Frage nicht erkennt.
Der Blick nach außen ist immer auch ein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft. Immer weg, niemals hier. Zweifel, Sorge und Angst, weg aus dem Moment, weg von Frage und Antwort, Problem und Lösung, weg von mir selbst. Was ist das? Was ist das für ein Ort, der nur mir zugänglich ist, dessen Eingang ich aber nicht finden kann. Ein Haus an dessen Eingangstür mein Name prangt, ein Haus das sich auflöst sobald ich die Türklinke berühre.
Es gibt die Idee eines Zustandes wo dieses Leid nicht existiert. Ein Ort, den es zu finden gilt. Suchen, suchen, endlos.
Niemals dort, niemals hier.
Dabei weiß ich um Frage und Antwort.
Kenne Lösung und Problem.
Weiß, dass nur Innen und Stehenbleiben und Atmen und Sein
Möglich machen, ehrlich sein zu mir selbst.
Die Frage ist, was ich in meinem Leben möchte.
Wie möchte ich mich fühlen?
Wie sollen sich andere fühlen, wenn sie in meiner Nähe sind?
Welche Qualität möchte ich meinem Leben geben?
Geht es mir darum, dass eine andere Person sagt, dass ich gut schreiben kann oder möchte ich schreiben, um mein Innerstes auszudrücken und es mit anderen zu teilen. Möchte ich die Starre der Anerkennung nach dem kurzen Zuckerkick oder möchte ich die Verletzlichkeit des Moments in dem ich mich selbst sehe und andere in diesen Raum einlade.
Ein Raum der Möglichkeit, ein Raum der Begegnung, der Unsicherheit und Schönheit und Transformation
Um diese Räume zu schaffen, muss ich bleiben. Im Innen, bei mir, in der Qualität des Moments, in der Tiefe des Atemzugs.
Es ist eine Praxis.
Bevor ich es tue, ist es nicht möglich.
Das Tun macht es möglich.
Die Praxis ist Frage und Antwort, Problem und Lösung, Auflösung dieser Konzepte.
Ganz einfach und unendlich schwer.
Das ist ungerecht. Stopp.
Ich akzeptiere das nicht.
Nein.
Ich lade dich ein.
Das fühlt sich gut an.
Mach bitte weiter.
Ich vertraue deinen Händen
Ich kenne Deinen Atem
Wie ich Nacht und Tag, Flut und Ebbe, Winter und Sommer, Sonne und Wende kenne.
Ich vertraue Dir wie ich mir vertraue
Heimkommen in meinen Atem
Dahin wo die Unmöglichkeit wohnte
Mich hier einrichten und weiteratme
Ich fange im Kleinen an.
Pflanze Samen in einen Topf, stelle ihn in die Sonne, wässere die Erde.
Das ist alles.
Es geht um die Praxis.
Mein Herz kennt die Blüte, meine Hände die Erde
So begehen wir jeden neuen Moment zusammen
In diesem Moment lösen sich Frage und Antwort auf
Denn alles was da ist, ist der Weg
Der Weg des Seins und der Heilung
Der Weg des Wachstums und des Vergehens
Hier blüht die Freiheit des Tuns
Die Schönheit des Kreierens
Die Liebe des Teilens
Die Tiefe des Seins.
Ich übe und gieße bis auch der Topf zerfließt
Der Tropfen des Lebens auf die Erde fällt
Der Samen sich durch den Aufprall erinnert, Wurzeln schlägt
Die Wurzeln schlägt, die längst gewachsen waren.
Die Erde bewegt, deren Potential bis jetzt nur eine milde Hoffnung war.
Die Praxis hat sie erweckt.
Es gibt kein Planen und Warten und von Außen Bestätigt werden.
Keine Leistung wird meinem Sein einen dauerhaften Sinn geben. Allenfalls ein kurzer Kick, gefolgt von Leere
Die Praxis kennt einen anderen Weg und mein Herz kennt die Praxis.
Ich vertraue dem Tun, dem Atem der Welt. Dem Rhythmus des Herzschlags meiner Vorfahren und Nachkommen, dem Fließen des Wassers, dem Blut meiner Venen. Innen. Bewegt, klar und in Bahnen.
Ich kann vertrauen.
Die Praxis finden; sie wartet immer in sich
wenn ich von meinen Reisen zurückkehre, heißt mich willkommen
Mein Schatz, Du bist zuhause.
Ganz selbstverständlich schließt sie mich in ihre Arme und wir laufen weiter, Seite an Seite
Jeder Schritt kreiert den Boden, der ihn fängt
Jeder Atemzug den Raum der uns alle hält.
In Liebe und Herz und immer willkommen